Eine chiropraktische Betrachtung von Friedemann Theill:
Auswirkungen des veränderten Alltags auf unser Erleben und die gesundheitlichen Perspektiven
Und nun? Gefühlt ist die Küche drei Mal umgestellt, sämtliche vor den Lockdowns aufgeschobenen Aufräumarbeiten erledigt und Netflix und Co. leergeguckt. Ein fast vergessenes Gefühl schleicht sich wieder in den Alltag ein: Langeweile. Philosophisch gern als negative Seite des konstruktiven Müßiggangs betrachtet, kann Langeweile doch mehr sein, nämlich impulsgebend für neue Erfahrungen und Verhaltensänderungen.
Wie relevant diese Frage ist, zeigte sich bereits in einer Umfrage innerhalb der französischen Bevölkerung im Frühjahr 2020. In der Ausgangshypothese vermuteten die Forschenden der Université Clermont Auvergne eine deutliche Zunahme an Stress. Einerseits aus Angst und Kummer, die durch die morbide Natur der Krise und ihre Auswirkungen (Angst um die eigene Gesundheit und die der Familie und Freunde) oder durch unangemessene Wohnqualität (Stress zu Hause) oder Arbeitsbedingungen (Stress am Arbeitsplatz) erzeugt werden. Sie würden so das Gefühl der Wachsamkeit erhöhen und zu einer gefühlten Beschleunigung des Zeitablaufs führen. Andererseits könnten die Enge zu Hause und soziale Distanzierung zu einem erhöhten Gefühl von Traurigkeit (d.h. weniger Glück) und Langeweile führen und damit zu dem Gefühl, dass sich der Zeitablauf verlangsamt. Unter den mehr als 4.300 Teilnehmenden war der zweite Aspekt klar überwiegend. Ihr Zeitempfinden hatte sich umso stärker verlangsamt, je länger der Lockdown andauerte. So ergab die Studie, dass mit der veränderten Zeitwahrnehmung zunächst gesteigerte Langeweile und sinkende Zufriedenheit einhergehen.
„Dabei ist empfundene Langeweile nicht grundsätzlich negativ“, so Friedemann Theill. Psychologische Forschungen verwiesen vielmehr auf den Umstand, dass Langeweile einen Suchzustand erzeuge. Gelangweilte Menschen fühlten sich eher veranlasst, neue Erfahrungen zu erkunden. Sie suchten nach Alternativen, die sich von der Erfahrung, die zu dem Erleben von Langeweile führte, unterschieden.
Dabei ist die Veränderung als solches motivierend, unabhängig davon, ob sie uns etwas Positives oder Negatives bringt. Unter anderem aus dem Kontext der Lern- und Arbeitsforschung ist bekannt, dass Langeweile mit dem Wunsch einhergeht, eine befriedigendere Tätigkeit zu finden. Sie steigert unsere Impulsivität und verhindert so auch, sich auf uninteressante Aufgaben zu konzentrieren. Stattdessen lassen wir uns ablenken, naschen oder spielen mit dem Smartphone.
„Während die gelegentliche Ablenkung harmlos sein mag, kann chronische Langeweile viele problematische Verhaltensweisen befördern“, so Theill. U.a. auch pathologisches Glücksspiel, Drogenmissbrauch und gesteigertes aggressives Verhalten – gegen andere und sich selbst. Im Zusammenhang mit der Pandemie entpuppte sich Langeweile auch als einer der Hauptgründe, warum Menschen – selbst bei Akzeptanz der Notwendigkeit und trotz besseren Wissens – gegen die Regeln der Abschottung und sozialen Distanzierung verstießen.
Suche nach Neuartigkeit
Aber es gibt auch positive Seiten der Langeweile. Anstatt Trost in impulsivem Verhalten oder Aggression zu suchen, kann Langeweile Menschen dazu bringen, neue Situationen oder Herausforderungen zu suchen. Menschen, die sich langweilen, berichten, dass ihre aktuelle Situation keinen Sinn hat. Als Reaktion darauf suchen sie aktiv nach Wegen, Sinnvolles zu tun. Langeweile im Lockdown kann somit auch wie ein mentaler Verstärker wirken. Ob daraus ein negativer oder positiver Impuls erwächst, liegt in den vorherrschenden Reaktionsmustern jedes Einzelnen.
„Wie wir auf unsere Umwelt reagieren, ist stark an unsere Gefühle geknüpft. Grundsätzlich gilt unser emotionales Erleben als unbewusster Vorfilter für Handlungsentscheidungen, geprägt und gesteuert durch das limbische System“, so Friedemann Theill. Anders als der für kognitiv-sprachliche Vorgänge zuständige Teil der Hirnrinde sind Gefühle in diesem – auch emotionales Gehirn genannten – Bereich nach wissenschaftlichen Forschungen wesentlich besser durch körperliche Impulse zu erreichen. Denn im limbischen System finden auch all die Steuerungsprozesse statt, die für unbewusste körperphysiologische Prozesse (Atmung, Blutdruck, Hormonausschüttung etc.) zuständig sind. Diese Kommunikation lässt sich in beide Richtungen nutzen. Darauf basiert unter anderem auch die Therapieform des EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Gelenkte Augenbewegungen werden dabei durch Therapeut*innen genutzt, um beispielsweise posttraumatische Belastungsstörungen zu bearbeiten.
Laut Friedemann Theill profitierten davon auch die Chiropraktiker*innen, deren Behandlungsoptionen neben dem Beheben mechanischer Störungen vor allem auf eine ungestörte Körper-Hirn-Kommunikation zielt: „Wir nutzen vorrangig die Wirbelsäule als ‚Datenautobahn‘ und deren Potenzial.“ Der chiropraktisch richtige Impuls zur richtigen Zeit könne dann auch dabei unterstützen, positive Ideen hin zu einem gesünderen Lebensstil zu verstärken. „Mit der so neurologisch-chiropraktischen Justierung entfaltet sich das Veränderungspotenzial besonderer Lebensabschnitte wie des Lockdowns und kann nicht nur in Belastungsmomenten Stress reduzieren, sondern auch für tiefgreifende positive Veränderungen ganz individuell genutzt werden“, schlussfolgert Friedemann Theill.
Quellen:
1. https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0236465#sec006
2. https://psycnet.apa.org/record/2018-12206-001
3.https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0236465#sec002
4. https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fpspi0000335
5. https://neurosciencenews.com/boredom-behavior-mental-health-17911/
6. Die neue Medizin der Emotionen: Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente von David Servan-Schreiber
Verantwortlicher Anbieter:
Praxis Friedemann Theill
Friedemann Theill, Heilpraktiker mit Schwerpunkt Chiropraktik
praxis@theill.de
chiropraktik-theill.de