Wechselwirkung von Erleben und Gehirnentwicklung aus chiropraktischer Hinsicht
„Unser Körpersystem nutzt eine richtige Datenflut, um bewusste und unbewusste Prozesse zu steuern. Das Nervensystem dient dabei als Datenhighway. Unser Verhalten und Erleben sowie alle Organe und Muskeln sind so miteinander vernetzt. Daher ist es kein Wunder, dass Störungen auf einer dieser Ebenen zu Effekten auf anderen führen können. In einem bestimmten Umfang ist das ganz normal und ein festes Programm, so wie die unmittelbare Korrekturbewegung beim Stolpern auch ganz automatisch erfolgt. Manche solcher Effekte sind aber nicht so leicht auszugleichen. Wie Veränderungen im Gehirn dabei zum Tragen kommen und welche Unterstützung Chiropraktik dafür bietet, wird hier genauer beleuchtet“, erklärt Friedemann Theill, DAGC-Vorsitzender aus Köln.
Wie man sich fühlt, hat im Alltag viel Einfluss auf Verhalten und Entscheidungen. Wer kennt das nicht? Wenn man gestresst und schlecht gelaunt ist, leidet auch der Genuss an Dingen, die einen sonst erfreuen. Fachlich ausgedrückt: Jedes Verhalten und die damit verbundenen psychischen Zustände bilden eine Schnittstelle zwischen dem zentralen Nervensystem und der Lebensumwelt. „Dem wollen und sollen wir aber nicht nur ausgeliefert sein“, so Theill weiter. Denn aus Erfahrung lernen wir.1
Wie umfangreich die Gestaltungsmöglichkeiten dabei sind, wird nach neuen Forschungserkenntnissen bereits in der Kindheit vorgezeichnet. Studienergebnisse aus 2021 deuten darauf hin, dass Verhaltenserfahrungen und die Entwicklung des Gehirns interaktive, wechselwirksame Prozesse sind, sodass Erfahrungen künftige Veränderungen im Gehirn prägen und das Gehirn künftige Veränderungen im Verhalten prägt.
„Du bist, was du erinnerst“
Entscheidend ist dafür der sogenannte Hippocampus als Arbeitsspeicher unseres Gehirns. Im Laufe der Entwicklung wird das Gehirn durch Lebenserfahrungen über Erinnerungen geformt. Untersuchungen legen dabei nahe, dass speziell im Alter von 4 bis 6 Jahren ein sensibler Zeitraum für die Entwicklung der Gehirnfunktionen ist. Sowohl mit Blick auf Gedächtnisleistungen des Hippocampus als auch auf die Verbindung hin zu höheren, verhaltenssteuernden Hirnregionen, wie dem präfrontalen Cortex.2
„Was wir erinnern und wie das unser Verhalten prägt, ist eine koordinierte Operation mehrerer neuronaler Systeme. Das koordiniert und überwacht der präfrontale Cortex, was sich im traurigen Fall der Schädigung des präfrontalen Cortex zum Beispiel durch Unfälle zeigt. Darunter leidet dann beispielsweise die Fähigkeit, neue Handlungsweisen zu erlernen oder auch nur unter mehreren gleich wahrscheinlichen Handlungsmöglichkeiten die beste auszuwählen“, erläutert Friedemann Theill.
Justierungen als Brückenbauer
Darüber hinaus wurde in weiteren Studien nachgewiesen, dass auch geringere und sogar schmerzfreie Störungen in körperlichen Strukturen, wie Fehlstellungen in Gelenken und an der Wirbelsäule, zur veränderten Verarbeitung im präfrontalen Cortex führen können. Chiropraktische Justierungen streben exakt danach, genau solche als Subluxation bezeichneten Störungen zu beheben. Jenseits von Schmerzbeseitigung oder Verbesserung von Muskelfunktionen deuten die Ergebnisse auch darauf hin, dass chiropraktische Behandlungen bei der Konnektivität von neuronalen Systemen unterstützen können.3
„Hiermit kommt in den Fokus, was uns als Menschen ausmacht: Die Fähigkeit, angemessen auf die Umwelt zu reagieren, aus Erfahrungen zu lernen und dabei unser inneres Erleben positiv zu entwickeln. Und das nicht erst im Erwachsenenalter, sondern auch in der Kindheit. Daher empfehlen viele Chiropraktiker*innen auch nicht nur ein Familienmitglied, sondern die ganze Familie zu justieren – eine ideale Grundlage, um sich nicht nur als Einzelperson, sondern zusätzlich als Gemeinschaft zu entwickeln“, resümiert Friedemann Theill.
Quellen (zuletzt abgerufen am 16. Juni 2022):
1) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0149763422001671
2) https://www.jneurosci.org/content/41/5/981/tab-article-info
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