Persönliche Erfahrungen einer Mutter, Tochter, Ärztin und Chiropraktikerin
Jedes Jahr am 8. März ist Weltfrauentag. Ärztin und Chiropraktikerin Marei Schachschneider sagt, sie sei jedes Jahr erstaunt, wie sehr die bloße Existenz dieses Tages manche Gemüter errege. Dieser Eindruck entstehe zumindest, wenn in der Tagespresse neben aktuellen Statistiken zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern mindestens ein kontroverses Interview einer öffentlichen Person zu finden sei, das den Nutzen stark anzweifelt. Auch im persönlichen Umfeld von Marei Schachschneider gehen die Meinungen, so sagt sie, sehr auseinander. Wird ein Frauentag wirklich noch gebraucht? Oder gar ein Frauenkampftag?

Dorothea Erxleben – eine Frau mit Vorbildfunktion
Wem sagt der Name Dorothea Erxleben etwas? Sie ist als „erste“ deutsche Ärztin in die Geschichte eingegangen und neben dem Beruf ist es die Herkunft aus Quedlinburg, die Marei Schachschneider mit ihr verbindet. Vor vielen Jahren, sagt sie, habe sie einen biografischen Roman geschenkt bekommen und war schnell gefesselt von Dorothea Erxlebens Geschichte – angesiedelt im 18. Jahrhundert unter der Herrschaft Friedrichs des Großen. Dorothea hatte glücklicherweise einen aufgeschlossenen Vater, der – selbst Arzt – seine Tochter zu Hause unterrichtete. Marei Schachschneider sagt, beim Lesen sei ihr noch einmal klar geworden, dass dieser Umstand zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich war und dass überhaupt der Schulbesuch für Mädchen nicht üblich war. Zum ersten Mal sei für sie greifbar geworden, wovon sie zuvor allenfalls gehört hatte, und ihr sei bewusst geworden, dass es so etwas noch immer auf der Welt gebe. Das habe weitreichende und aufwühlende Fragen aufgeworfen. Marei Schachschneider beschreibt es scherzhaft als den beginn ihrer ersten existenziellen Krise.
Zugleich habe sie sich durch die Geschichte von Dorotha Erxleben darin bestätigt gefühlt, dass es sich lohne, für die eigenen Ziele und Gleichberechtigung zu kämpfen. Dies habe die existenzielle Krise etwas gemindert. Bei Dorothea Erxleben seien es die Widersacher gewesen, die ihre Karriere beschleunigten. Der Geschichte nach assistierte Dorothea ihrem Vater in seiner Praxis und lernte so das Arzthandwerk unter seiner Anleitung. Nach seinem Tod behandelte sie weiterhin Patienten, wohlwissend, dass es ihr nicht erlaubt war, und erregte dadurch natürlich den Zorn der Quedlinburger Ärzteschaft. Kurz gesagt: Die Bestrebungen ihrer Gegner, ihr das Handwerk zu legen – und sich damit zahlende Kundschaft zu sichern – waren es, die dazu führten, dass Friedrich der Große persönlich veranlasste, dass Dorothea an der Universität von Halle die ärztliche Prüfung ablegen durfte und musste, um weiter zu praktizieren.
Im Medizinstudium liegt der Frauenanteil bereits deutlich über 50%
Wenn Marei Schachschneider an den Beginn ihres eigenen Medizinstudiums zurückdenkt, so waren es besonders zwei Tatsachen, die ihr im Zusammenhang mit Frauen in Erinnerung geblieben seien und die sie bis heute beschäftigen: Die Quote unter den Studierenden der Medizin und die Quote unter den Studienprobanden in der Medizin.
Der Anteil junger Frauen unter den Studierenden lag bereits bei mehr als 50% und liegt heute noch viel höher. Über die Gründe werde viel diskutiert. Es könnte daran liegen, dass es sich um einen Beruf mit starker sozialer Komponente handele, der bei Frauen beliebter sei. Möglicherweise verdrängen Abiturientinnen ihre männlichen Altersgenossen schlichtweg durch bessere Noten – immerhin seien diese nach wie vor die Eintrittskarte zum Medizinstudium. Doch woran liegt das wiederum und was sagt das Ganze über die Erziehung der Kinder und über das Schulsystem aus?
Trotzdem lasse es sich kaum bestreiten, dass die Strukturen im Gesundheitswesen noch immer männlich geprägt seien. So hat Marei Schachschneider den Eindruck, dass viele ihrer Kolleginnen unter den Hierarchien in den Kliniken sowie der schlechten Vereinbarkeit von Karriere und Familie leiden. Dennoch sei sie gespannt auf die weitere Entwicklung und hoffe, dass sich Frauen über Berufsgrenzen innerhalb des Gesundheitswesens hinweg auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zusammenschließen.
Es tut sich etwas bei der Geschlechtergerechtigkeit
Eigentlich unglaublich, aber über Jahrzehnte hinweg waren es überwiegend Männer, die als Studienprobanden dienten – einfach aus dem Grund heraus, dass der Körper von Frauen als zu komplex und veränderlich empfunden wurde, um zuverlässige, wiederholbare Ergebnisse, zum Beispiel bei Medikamentenstudien, zu bekommen. Marei Schachschneider erinnert sich daran, wie sprachlos sie war, als ihr Anatomieprofessor zu einem ihrer Kommilitonen sagte: „Sie sind der typische Studienproband: Mitte zwanzig, männlich und 80 kg schwer.“ Und zu den Frauen gewandt sagte er: „Würden Sie eine Arznei, die nicht an Frauen getestet wurde und nicht an Ihr Gewicht angepasst ist, einfach so einnehmen?“
Glücklicherweise ändere sich auf diesem Gebiet allmählich etwas und Forscher widmen sich den Unterschieden zwischen Männern und Frauen, um Therapien und Arzneien geschlechterspezifisch zu optimieren.

Fazit zum Weltfrauentag
Marei Schachschneider findet es gut, dass am Frauentag über den Frauentag gestritten wird, denn allein das zeige ihr, dass er weiterhin notwendig sei. Zwar sei sie dankbar für das bisher Erreichte, aber dennoch auch kämpferisch für die Zukunft ihrer Tochter, schließlich sei noch viel zu tun.
Deswegen wolle sie sich dem Zitat von Kamala Harris, der ersten amerikanischen Vize-Präsidentin, anschließen: „Ich möchte, dass junge Mädchen und Frauen wissen: Ihr seid stark und eure Stimme zählt.“
Im nächsten Jahr plant Marei Schachschneider ein kleines Kunstprojekt – dafür gibt es an dieser Stelle ein Ritual statt den üblichen Hacks:
Wer Lust hat mitzumachen, kann einen Brief an die eigene Mutter, Großmutter oder sogar Urgroßmutter schreiben. Darin kann man sich gedanklich austauschen, über Fortschritte in der Gleichberechtigung berichten, ihr Fragen zu ihrer eigenen Geschichte stellen. Danach kann man einen zweiten Brief schreiben – an eine junge Frau in der Zukunft. Was wünscht man ihr? Wie könnte eine Welt aussehen, in der Frieden und Gleichberechtigung herrschen?
Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, kann auch an #messagetomysister teilnehmen.
Verantwortlicher Anbieter:
Marei Schachschneider
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