Was Faszien lieben …
Oft wird Marei Schachschneider gefragt, ob sie Faszientraining empfehle. Meist direkt im Zusammenhang mit der nächsten Frage – gepaart mit einem sorgenvollen Blick: „Muss Faszientraining denn weh tun?“
In unserer Kultur ist es immernoch sehr verbreitet zu glauben, was hilft, muss auch weh tun. Oder anders: Wenn es nicht weh tut, hilft es nicht. Aus Marei Schachschneiders Sicht stimmt dieser Glaubenssatz so allerdings nicht. Daher lautet ihre Antwort auf die sorgenvolle Frage ihrer Patienten, dass eine Justierung sei aus ihrer Sicht das beste Faszientraining sei, das es gibt!
Was sind Faszien überhaupt?
Bestimmt hat jeder Faszien schon beim Zubereiten einer Fleischmahlzeit gesehen: Als Sehnen, die Knochen und Fleisch verbinden, oder faserige Platten oder zarte Häute, die das Fleisch durchziehen. Und daran sieht man schon eine ihrer Aufgaben: Gewebe umhüllen, voneinander trennen und miteinander verbinden.
Marei Schachschneider (Ärztin) hat Faszien im Anatomieunterricht näher kennengelernt – und zwar eher als etwas, was stört. In einer Art sportlichem Wettbewerb konkurrierten Schachschneider und ihre Kommiliton*innen darum, so schnell wie möglich die vermeintlichen Hauptdarsteller des menschlichen Körpers zu präparieren, nämlich Muskeln und Organe. Die Faszien interessierten sie nicht und sie „schnippelten“ sie ohne große Beachtung weg. Heute weiß man jedoch, dass man ihnen mit der Nebenrolle als bloßes Füll- und Stützmaterial nicht gerecht wird.
Faszien erfüllen verschiedenste Aufgaben im Körper. Zunächst ist wirklich jedes Organ und jeder Muskel von Faszien umhüllt. Alle Faszien zusammen bilden ein komplexes Spannungsnetzwerk. Und wenn schon die Rede von einem Netzwerk ist: Man geht davon aus, dass es für die Kommunikation im Körper eine eigene Rolle spielt.
Faszien spielen für die Ernährung und Entgiftung der Organe, die sie umhüllen, eine wichtige Rolle und dienen als Speicher für Wasser und Fett.
Am spannendsten sei, so Schachschneider, dass Faszien unglaublich dicht mit Nerven versorgt sind. In den Faszien verästeln sich Nervenfasern besonders fein und an ihren äußersten Enden sitzen hochspezialisierte Messfühler, sogenannte Rezeptoren, mit verschiedensten Aufgaben. Sie messen die Temperatur und den pH-Wert, nehmen Veränderung von Bewegung und Spannung wahr und melden dem Gehirn drohenden Schaden des Gewebes über Schmerzrezeptoren.
In ihrer Arbeit interessiert sich Marei Schachschneider besonders für die Rezeptoren, die Veränderungen der Bewegung und Spannung messen. Sie tastet gezielt nach Strukturen, das heißt Muskeln und ihren Faszien, die eine zu hohe oder zu niedrige Spannung haben. Das fühlt sich dann ihr zufolge entweder „verdickt oder irgendwie zu lax“ an. Oft hilft der Seitenvergleich links zu rechts und Schachschneiders innere Vorstellung und Erfahrung davon, was „normal“ ist. Ziel der Justierung ist es, die Spannung entsprechend zu normalisieren. Dass die behandelte Struktur besser funktioniert, äußert sich in der Regel in besserer Beweglichkeit. Da übermäßige Spannung oft auch mit unangenehmem Ziehen oder sogar Schmerzen einhergeht, sei dieses Gefühl nach der Justierung auch sehr willkommen – viele Patienten schildern zudem, ihre Schmerzen würden sich mit der Zeit mindern oder sogar ganz verschwinden.
Manchmal könne es sein, dass eine Struktur zu beweglich ist und dadurch Probleme und Schmerzen bereitet. Das sei oft am Becken zu sehen. Auf der einen Seite sei die Beckenschaufel mit dem Kreuzbein blockiert und auf der anderen Seite regelrecht überbeweglich. Schmerzen bereite dann meist die überbewegliche Seite.
Das faszinierende an Faszien ist für Schachschneider, dass sie dem Körper gleichzeitig Stabilität und Beweglichkeit schenken. Wenn dem Körper oder einer seiner Strukturen allerdings Schaden droht, bekomme die Stabilität Priorität. Die Faszien ziehen sich zusammen und werden fest. Wenn die Gefahr über lange Zeit besteht, produzieren sie schließlich in guter Absicht Stützmaterial. Das tastet man dann als knotige, dicke Verhärtungen im Gewebe. Ein häufiger Befund sei der Stiernacken. Der könne zwar auch in Folge einer Langzeit-Kortisonbehandlung entstehen, viel häufiger sei er aber Resultat einer jahrelangen Fehlhaltung. Wenn der Kopf vor den Schultern steht oder hängt, bedeutet das eine immense Belastung für den Nacken und den Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule. Der Körper ist schlau, deshalb baut er einfach an und aus und kompensiert die Belastung auf diese Weise. Nur sei das Ergebnis ehrlicherweise nicht optimal und auf Dauer nicht schön und es entstehen neue Probleme. Und am Ende sei man möglicherweise eher die Summe seiner Kompensationen als seiner Entwicklungen, wie ein Kollege von Schachschneider kürzlich treffend sagte.
Das Gute: Es gibt viele Möglichkeiten, neue Wege einzuschlagen und wieder in eine Aufwärtsspirale hin zu mehr Wohlbefinden zu gelangen.
Regelmäßige, gezielte Impulse durch Chiropraktik in das Nervensystem bereiten Schachschneider zufolge den Weg für Veränderungen in den Faszien, Muskeln und Gelenken. Wenn der erste Schritt getan ist, fallen kleine Lebensstil-Änderungen im Alltag aus ihrer Erfahrung leichter und schon sei man mitten auf dem gewünschten Weg.
Schachschneiders Antwort auf die zweite Frage, ob Faszientraining schmerzhaft sein muss, ist einfach: Nein. Da Faszien so dicht innoviert sind, reagieren sie schnell auf Druck und die Schmerzschwelle sei beim Training mit Bällen und Rollen bald erreicht. Schachschneider empfiehlt, bei der Eigenanwendung nur bis an diese Schwelle zu gehen. Es kam schon vor, dass Menschen sich beim Faszientraining ernsthaft verletzt haben. Professionelle Trainer und Krankengymnasten können natürlich gezielt tiefer in das Gewebe gehen, um Verhärtungen zu lösen. Dafür brauche es aber Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Was Faszien lieben
1. Wertschätzung
… und liebevolle Aufmerksamkeit! Faszien wollen nicht immer gequält werden. Das haben sie auch gar nicht verdient. Sie mögen es tatsächlich, regelmäßig auf Rollen oder Bällen eben „ausgerollt“ zu werden; mit Dehnübungen lockt man sie aus ihrer Komfortzone. Wichtig: Nicht zu lange und nicht über die Schmerzgrenze gehen! Die gute Nachricht und tik Hack No.1: Sanftes und bestimmtes Ausstreichen mit den Händen kann mit der Zeit zu einer Verbesserung ihrer Struktur und Funktionalität führen. Wichtig beim Ausstreichen: Wo möchte ich mehr Länge haben? Ansonsten ruhig dem Gefühl vertrauen und freundlich forschend vorgehen. Und bei hartnäckigen Blockaden in einer Faszie, fragen Sie Ihre Chiropraktikerin. Sie hat bestimmt noch eine Idee!
2. Eine gute Haltung
tik Hack No.2: Wer gesunde, schöne und funktionsfähige Faszien haben will, gibt ihnen Richtung. Faszien richten sich nämlich entlang der Kraftlinien der Belastung aus. Wichtig ist daher eine gute Körperhaltung (Hallo Justierung!).
3. Die richtigen Nährstoffe
Der ultimative Tipp für alle Bewegungsmuffel und Naschkatzen! Man kann den Faszien auch mit Snacken mal was richtig Gutes tun. tik Hack No.3: Vorm Schlafengehen ein Stück proteinreiche Nahrung plus einen nicht zu kleinen Zitronenschnitz essen. (Und ja, nicht nur den Saft, auch das Fruchtfleisch!) Dadurch bekommt der Körper das, was er für die Regeneration des Bindegewebes in der Nacht benötigt: Eiweißbausteine für die Kollagenketten und Vitamin C, das für ihren Aufbau benötigt wird. Ein proteinreicher Snack ist beispielsweise ein Stück Käse oder Aufschnitt. Eine pflanzliche Alternative wäre Tempeh. Statt Zitrone kann man auch eine Limette nehmen. Sie ist milder und weniger sauer.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
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